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Feierliche Zeugnisübergabe Jg.10

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zu unserer kleinen, aber offiziellen Zeugnisübergabe am Ende des 10. Schuljahres, die wir unter „normalen“ Bedingungen eigentlich ganz anders gefeiert hätten, heiße ich euch hier in der IGS Friesland-Nord herzlich willkommen.

Sechs Jahre haben wir gemeinsam verbracht, fünf Tage die Woche, viele Stunden am Tag. Eigentlich wird das Ende dieser bedeutenden Lebensphase gebührend gefeiert - schon Monate im Voraus begannen unsere Planungen für diesen großen Tag. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Keine Zeugnisübergabe im Bürgerhaus, kein Abschlussball in Aurich, kein Abschlussstreich, keine Mottowoche – ein kleines Virus setzt alles außer Kraft.  Dankbar sollten wir jedoch für die gemeinsame und sicherlich unvergessliche Abschlussfahrt nach Berlin sein. Der jetzige 9. Jahrgang kommt nicht in den Genuss, eine solche Abschlussfahrt erleben zu dürfen.

Wir konnten in den letzten Wochen nur unter erschwerten Bedingungen den Blick in die Zukunft werfen, häufig gelang es auch gar nicht. Wir lebten ausschließlich im Heute. Wir hatten keine Planungssicherheit. Die dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens und die stets aktualisierten Vorgaben des Kultusministeriums verlangten uns allen viel ab. Unkomplizierte Kommunikationswege, viel Verständnis und das Einhalten der Regeln – für eure Unterstützung möchten wir uns bei euch ganz herzlich bedanken!

Das Gebot der Stunde ist es, mit all den Einschränkungen im täglichen Leben zurechtzukommen. Aber ihr könnt euch sicher sein: Dass ausgerechnet ihr als Abschlussjahrgang von diesen Einschränkungen betroffen seid, bedauert das Team 10 sehr. Wir alle hätten euch wahrhaftig andere Abschlussfeierlichkeiten gegönnt!


Dennoch möchten wir den heutigen Tag nutzen, um euch, liebe Schülerinnen und Schüler, feierlich zu entlassen. In den vergangenen Wochen habt ihr gearbeitet und gelernt, geschwitzt und vermutlich auch gestöhnt. Doch heute sollt ihr eure verdiente Belohnung erhalten: eure Abschlusszeugnisse des Sekundarabschlusses I. 10 Schuljahre liegen nun hinter euch – 6 Jahre davon an unserer Schule. Gespickt mit Erfolgen und Enttäuschungen, positiven wie negativen Erfahrungen – das volle Leben eben – und ganz sicher mit einem immensen Zuwachs an Wissen und Qualifikationen.

Ich freue mich sehr, dass ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen, durch eure Anwesenheit die Bedeutung dieses besonderen Tages für unsere Schülerinnen und Schüler unterstreicht. Auch wenn eure Eltern physisch nicht anwesend sein dürfen, so nehmen sie in Gedanken sicherlich an eurer, an unserer Feierstunde teil.

Doch zunächst möchte ich euch eine kurze Geschichte vorlesen.

Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Tiere eine Schule. Das Lernen bestand aus Rennen, Klettern, Fliegen, Fischefangen und Schwimmen. Und alle Tiere wurden in allen Fächern unterrichtet.

Die Ente war gut im Schwimmen. Im Fliegen war sie aber eher durchschnittlich, im Rennen gar ein besonders hoffnungsloser Fall. Weil sie im Rennen schlechte Noten hatte, musste sie den Schwimmunterricht ausfallen lassen und nachsitzen, um das Rennen zu üben. Das tat sie so lange, bis sie auch im Schwimmen nur noch durchschnittlich war. Der Bär hatte eine eigene Methode, seine Fische zu fangen. Er wollte die Fische immer mit der Pfote fangen und nicht mit der Angelrute, wie es im Lehrplan stand. Der Angelunterricht machte dem Bären keinen Spaß, er schwänzte schließlich immer mehr den Unterricht und bekam als Quittung dafür auf dem Zeugnis eine Sechs im Fischefangen. Das Kaninchen war im Rennen der Klassenbeste, mindestens anfänglich. Wegen des vielen Nachhilfeunterrichts im Schwimmen bekam das Kaninchen einen Nervenzusammenbruch und musste medizinisch versorgt werden. Das Eichhörnchen war im Klettern einsame Spitzenklasse und außerhalb jeglicher Konkurrenz, aber das Eichhörnchen war ein Problemschüler. In den Flugstunden begannen alle Übungen am Boden, das Eichhörnchen wollte aber unbedingt oben im Baumwipfel beginnen. Wegen seiner Eigensinnigkeit bekam das Eichhörnchen mehrere Einträge ins Klassenbuch und wurde schließlich als „verhaltensgestört“ und „erziehungsschwierig“ in eine Förderschule überwiesen. Die Hunde legten vor allem Wert auf praktische Dinge, die man im Leben auch gebrauchen kann – z.B. Buddeln. Doch die Schulbehörde lehnte es ab, Buddeln in den Lehrplan aufzunehmen. Deshalb gaben die Hunde ihre Jungen zum Dachs in eine Privatschule.
Am Ende des Jahres hielt ein anormaler Aal, der gut schwimmen, etwas rennen, klettern, fliegen und Fischefangen konnte, als Schulbester die Schlussansprache.

Das kann dabei herauskommen, wenn alle alles können sollen. Vielleicht fühlt ihr euch ähnlich? Mag der eine doch denken: Warum muss ich wissen, was man unter Paraphrasierung, Kontrapunktierung und Polarisierung versteht. Benötigt man Protolysegleichungen wirklich? Und ja, es ist richtig – das Fundament muss solide sein. Es gibt gute Gründe, alles ein bisschen zu lernen. Das ist eben auch der Sinn einer allgemein bildenden Schule. Aber – sicherlich – die kleine Fabel regt an, grundsätzlich nachzudenken – über die Schule, die Lehrerbildung, ja, sogar über unsere Gesellschaft. Und ich gebe offen zu: es wäre verlockend, die Geschichte zum Ausgangspunkt einer fulminanten Auseinandersetzung mit dem System Schule zu nehmen. Bei der Vorbereitung dieser Rede habe ich mich dann aber gezügelt und mich daran erinnert, was der Anlass dieser Zusammenkunft ist: Die Feier eures bestandenen Sekundarabschlusses I.

Blicken wir also einen Moment zurück und lassen uns dabei von der Schule der Tiere inspirieren:

Nun gehört Buddeln auch in Schortens nicht zum Lehrplan, aber so vielfältig wie die Tiere in der Geschichte, so vielfältig seid auch ihr, und so vielfältig waren auch die Anforderungen, die ihr zu bewältigen hattet. Deutsch, Englisch, Mathematik, Chemie, Biologie, Physik, RWN, Musik, Kunst, GL und Sport – und das alles im ständigen Wechsel. Alle 80 Minuten ein anderes Fach. Alle 80 Minuten eine andere Lehrkraft, auf die man sich einstellen musste. Alle 80 Minuten unter Umständen eine neue Lerngruppe, mal im Klassenverband, mal im Kurssystem – das alles begleitet von prä- und postpubertären Symptomen, die das Lernen sicherlich nicht immer einfacher machten. Dann noch dieses Virus! Und dann auch noch die Abschlussprüfungen!

Aber neben den Erfolgsgeschichten eurer bisherigen Schulausbildung könnt ihr sicher auch die eine oder andere Geschichte des Scheiterns, der Entdeckung eigener Grenzen erzählen. Das ist kein misslicher Umstand, sondern ein notwendiger Teil eures Bildungsprozesses. Hoffentlich habt ihr entdeckt, was ihr gut könnt. Möglicherweise habt ihr aber auch realisiert, was ihr nicht so gut könnt. Ihr schlagt nun alle Wege ein, um das, was ihr könnt, weiter auszubilden. Ihr professionalisiert euch gewissermaßen. Einige beginnen ihre Ausbildung, andere besuchen die BBS mit einem für sie passenden Schwerpunkt, andere wiederum begeben sich auf den Weg, um an unserer Schule in drei Jahren die Abiturprüfungen abzulegen.

Wenn aber der Bär die Fische mit der Pfote perfekt fangen kann, warum sollte er zum Benutzen der Angelrute genötigt werden? Vertraut auf eure Gaben. Vertraut auf eure Talente. Verfolgt weiterhin mutig euer Ziel. Auf den Weg gemacht habt ihr euch bereits. Das Etappenziel „Sekundarabschluss I“ habt ihr erreicht. Traut euch und eurer Bildung etwas zu!

Mit dem Sekundarabschluss I wird euch nicht bescheinigt, dass ihr nun alles könnt. Es ist kein Zertifikat für den perfekten und zugleich final ausgebildeten Menschen, wenngleich sich manch einer von euch danach sehnt. Das Lernen wird euch ein Leben lang begleiten.

Ihr alle könnt viel, oder um im Bild der Fabel zu bleiben: Ihr könnt vielleicht gut klettern oder schwimmen, fliegen oder rennen. Gewiss habt ihr die eine oder andere Technik perfektioniert. Und bestimmt viel Neues entdeckt. Alle von euch haben sich weiterentwickelt. Ihr müsst jetzt und auch in Zukunft nicht alles können – darum geht es im Leben nicht. Aber es ist hilfreich, sich heute zu vergewissern, wie viel ihr schon erreicht habt, ganz persönlich, jede und jeder, in aller Verschiedenheit. Und gerade diese Verschiedenheit ist es, die wir in unserer Gesellschaft benötigen!

Mein großer Dank gilt euren lieben Eltern, die heute leider nicht anwesend sein dürfen – bitte leitet den Dank für mich an sie weiter. Sie waren es, die unserer Schule das Vertrauen ausgesprochen haben, damit wir euch ausbilden und erziehen durften. Der Dank gilt in besonderer Weise auch meinen Kolleginnen und Kollegen. Frau Huflaender, Frau Breitenbach, Frau Weckwarth, Frau Schönleber, Frau Clauser, Frau Held, Herr Busche, Herr Fürstenberg und Herr Tholen haben euch in den letzten Jahren mit hervorragender pädagogischer Arbeit unterstützt und standen stets mit Rat und Tat an eurer Seite. Sie tragen maßgeblich zu eurem schulischen Erfolg bei. Bei meinem wunderbaren Team, das maßgeblich zum Gelingen der heutigen Feier beigetragen hat, möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

Seid stolz auf eure Leistungen – ihr habt ein wichtiges Etappenziel erreicht. Ich wünsche euch, dass ihr mit Hoffnung und Zuversicht an euer Leben herangeht, egal, wie eure konkreten Planungen und Perspektiven auch aussehen mögen. Ich durfte in den letzten beiden Jahren 145 wunderbare, liebenswerte und einzigartige Charaktere kennen lernen und bin mir sicher: Ihr werdet euren Weg gehen!

Ich beglückwünsche euch zu eurem Schulabschluss und wünsche euch im Namen der Schulleitung und des Lehrerkollegiums der IGS Friesland-Nord alles erdenklich Gute für euren weiteren schulischen, beruflichen und privaten Weg.

Vielen Dank!

Tim Lübben - Jahrgangsleiter 10

 

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