„Bahnwärter Thiel“ – Die Fragilität des Menschen in einer sich wandelnden Welt
Gedichte, Romane oder Novellen für die Schule zu lesen, und sich mit ihrem Inhalt und der Gestaltung des Textes intensiv auseinander zusetzen ist das eine, das andere ist es zu sehen, wie ein Dramatiker ein Werk umgestaltet, um die Protagonisten auf der Bühne zum Leben zu erwecken.
Genau so erging es den Schüler/innen der Deutsch Leistungskurse, des Abitur Jahrgangs 2025. Denn diese besuchten am 06. September das „TheOS“ in Wilhelmshaven, um sich das Stück „Bahnwärter Thiel“ anzuschauen.
Gespannt auf die Umsetzung des Werkes als Theaterstück, begaben sich die Schüler/innen auf ihre Plätze. Das Bühnenbild wies zwei Ebenen auf, nur getrennt durch einen durchsichtigen Vorhang. Dass im Vordergrund ein alter Röhrenfernseher stand, sorgte zunächst für Verwirrung.
Schnell wurde aber klar, dass dieser dort zur bildnerischen- und musikalischen Unterstützung platziert wurde, denn auf ihm wurden Video-Clips von dampfenden Zügen und Songtexten abgespielt. Gerade zu Beginn des Stückes wurde die Story mit Gesangsdarbietungen unterstützt, auch Witze kamen nicht zu kurz und Ironie war ein viel verwendetes Mittel. Nichtsdestotrotz waren die unterhaltenden Gestaltungsmittel an den richtigen Stellen, sodass man nicht das Gefühl hatte, dass das eher bewegende und erschütternde Original, ins Lächerliche gezogen wurde. Im Verlauf des Stückes veränderte sich die eher heiter und amüsante Stimmung in eine eher düstere und beklemmende Atmosphäre. Die Dualität der Frauen, Lene und Minna, wurde durch die Dynamik auf der Bühne deutlich, indem die Darstellerinnen der Frauen um den Schauspieler Thiels herumliefen und ihn in seinen Sätzen unterbrachen. Dadurch wurde Thiels Geisteszustand deutlich und man erkannte seinen inneren Konflikt, von beiden Frauen – sowohl von der toten als auch der lebendigen - beeinflusst zu werden.
Gegen Ende des Stückes, wurden immer lauter werdende Zug Geräusche eingespielt und die Schauspieler liefen hinter der Bühne auf und ab, sodass ihre Stimmen von jeder Richtung aus zu hören waren, dies führte dazu, dass das Ende des Stückes – der Unfalltod von Thiels Sohn und die anschließende Ermordung Lenes und Thiels zweitem Sohn durch Thiel – eine gravierende und erschreckende Wirkung hatte. Das trug dazu bei, dass man, obwohl man das Ende bereits kannte, eine gewisse Betrübtheit über die Schicksale der Protagonisten empfand. Insgesamt war die ganze Aufführung sehr vielseitig und hat bei den Zuschauer/innen für viel Redebedarf gesorgt. Auch nach dem Stück konnte man noch vielen gespannten Gesprächen über die Umsetzung belauschen. Um es in den Worten Gerhart Hauptmanns zusammenfassen: „Es gibt keine Komödie, die keine Tragikomödie ist.‘‘
Verfasst von Amelie Urban (Q2)