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DS-Kurs rezensiert Theaterstück

„Dass man lebt, ist Zufall; dass man stirbt, ist gewiss“, sagt Fabian (Robert Zimmermann), als er über den toten Körper seines Freundes Labude (Viktor Rabl) streichelt. Dies ist nur eines von vielen originalen Zitaten aus dem 1931 erschienenen Satireroman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ von Erich Kästner, welches in der dazugehörigen Inszenierung „Fabian. Der Gang vor die Hunde“ auftaucht. Die satirische Tragödie, dessen Bühnenfassung von Tim Egloff (Regisseur) und Sibille Hüholt (Dramaturgie) stammt, feierte am 19.10.2019 im Stadttheater Wilhelmshaven seine Premiere.

Die folgende Rezension bezieht sich auf die Aufführung des Stückes vom 05.12.2019 im Theater am Dannhalm in Jever, welche circa 150-180 junge Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgt haben. Das Geschehen spielt sowohl im Großstadtroman als auch im Stück in Berlin Ende der 1920er-Jahre. Der Moralist Jakob Fabian steht im Mittelpunkt der Handlung und möchte zu einem besseren Menschen werden, was ihm nicht sehr leicht fällt.

Die Vorführung beginnt wie auch im Roman damit, dass der Hauptdarsteller in einem Berliner Café sitzt. Es wird laute Popmusik gespielt und alle Darsteller laufen wie Models auf und ab. Diese Szene kommt nicht im Buch vor und zeigt gleichzeitig, dass versucht wurde, eine gewisse Modernität ins Stück zu bringen.

Schließlich lernt Fabian Irene Moll (Elena Nyffeler) kennen, welche ihn mit zu sich in die Wohnung nimmt, wo er auf Herrn Moll (Aom Flury) trifft. Allgemein ist zu bemerken, dass die Darsteller fast ausschließlich die originalen Dialoge aus dem Buch sprechen, dies aber in der dritten Person tun, wodurch sie sich von der Handlung quasi distanzieren und das Publikum eine deutlich objektivere Sichtweise erlangen kann. Zusätzlich werden einige Prosatexte hinzugefügt, die nicht direkt im Original zu finden sind.


Nachdem der Werbetexter Fabian entsetzt die Wohnung wieder verlassen hat, da Herr Moll möchte, dass Fabian sich mit seiner Frau vergnügt, lernt er schließlich in dem Kunstatelier von Ruth Reiter (Ramona Marx) Cornelia Battenberg (Leontine Vaterodt) kennen und lieben. Als Fabian jedoch gekündigt wird und Cornelia für eine Filmrolle ein Verhältnis mit dem Filmdirektor eingehen muss, verlässt sie ihn. Wenig später schließt Fabian mit Monika (Hannah Sieh) Bekanntschaft und beginnt mit ihr eine Romanze, um der Einsamkeit zu entfliehen. An dieser Stelle muss man positiv herausstellen, dass für alle Szenen mit sexuellen Zügen eine passende Darstellungsweise gefunden wurde, welche die Übertreibung herausstellt, ohne jedoch die Ernsthaftigkeit des Stückes zu verlieren. So wird beispielsweise laut auf den Boden geklopft und kein direkter Blickkontakt zueinander hergestellt.

Nachdem Monikas Ehemann Fabian entdeckt und handgreiflich wird, erfährt der Moralist, dass sein Freund Labude auf Grund seiner schlecht beurteilten Habilitationsarbeit Selbstmord begangen hat. Als ans Licht kommt, dass es sich eigentlich um eine sehr gute Arbeit handelt und sich der Assistent bei Labudes Arbeit lediglich einen Scherz erlaubt hat, verprügelt Fabian diesen. Diese Szene wird sehr vereinfacht dargestellt, indem der Protagonist lediglich vorne am Bühnenrand steht und das Geschehen sowie die Prügelei ausdrucksvoll erzählt.

Allgemein kommt es in der Inszenierung sehr häufig vor, dass die Darsteller nach vorne an den Bühnenrand treten und direkt zum Publikum sprechen. Dadurch werden die Zuschauer unmittelbarer mit dem Gesagten konfrontiert. Allerdings besetzen einige Darsteller mehrere Rollen, wodurch es bei solchen Szenen teilweise zu Verwirrung seitens des Publikums kam. Im Anschluss begibt sich Fabian zurück in seine Heimat zu seiner Mutter (Ramona Marx), da er sich vor den Menschen ekelt und verzweifelt ist. Mit dem Geld, welches Labude ihm hinterlassen hat, möchte er ins Erzgebirge.

Die letzte Szene des Buches wird erstklassig im Theater dargestellt. Alle Figuren befinden sich auf der Bühne im Hintergrund, während Fabian vorne steht und einen Satz beginnt, als er abrupt, ohne diesen fortzuführen, von der Bühne geht. Die Darsteller erzählen im Folgenden abwechselnd das Geschehen wortwörtlich, wie es im Roman steht. Fabian springt, nachdem ein Junge ins Wasser gefallen ist, hinterher und ertrinkt, da er nicht schwimmen kann. Dadurch, dass diese Szene nicht direkt dargestellt, sondern nur geschildert wird, bleibt ein großer Interpretationsspielraum, was durchaus positiv zu unterstreichen ist, da dem Zuschauer kein bestimmtes Ende aufgezwungen wird.

Vor allem durch diesen abrupten und fragenaufwerfenden Schluss, wird das Hauptziel des Stückes erreicht; Wachrütteln. Der Großstadtroman und auch das Stück möchte die Gesellschaft warnen und hält ihr dabei bewusst den Zerrspiegel vor. Zusätzlich besitzt die Inszenierung einen gewissen Unterhaltungscharakter, was auch an den Reaktionen des Publikums zu erkennen war. Die Atmosphäre war recht ausgelassen, doch mit dem plötzlichen Ende machte sich bemerkbar Verwunderung breit.


Kommt man auf das Bühnenbild und die Kostüme (Selina Traun) zu sprechen, so lässt sich festhalten, dass beides sehr gelungen ist. Vor Beginn des Stückes verkündete die Regieassistentin (Marie-Sophie Dudzic), dass es sich im Allgemeinen „[…] um einen abstrakten Raum handelt.“. Es befinden sich mehrere Räume in einem Raum auf der Bühne, ohne diese stark kenntlich zu machen. Die Bühne wurde mit einem pinken Plüschteppich versehen, welcher am hinteren Ende der Bühne eine Wand emporläuft. Im Mittelpunkt der Bühne steht zudem ein circa 40 Zentimeter hoher und sehr breiter Zylinder, welcher sich drehen lässt. Er ist ebenfalls in das pinke Plüsch gehüllt. Auch wenn es sich um einen abstrakten Raum handelt, kommt es kaum zur Verwirrung und es wird allein durch die Dialoge deutlich, wo sich die Figuren gerade befinden. Nach der Szene in Monikas Wohnung, liegt der pinke Wandstoff auf dem Boden und ein weißes Gerüst mit eckigen Fenstern kommt zum Vorschein.

Die Darsteller selbst tragen zeitlose Kleidung, welche laut der Regieassistentin „nicht nur zu den 30er-Jahren passt“. Die Kostüme wurden ausschließlich in schlichten Farben wie Beige, Weiß, Schwarz und Hellblau gehalten. Dabei handelt es sich zudem um einfache Kleidungsstücke wie Stoffhosen, Hemden, Kleider und Jacketts. Besonders herauszustellen ist, dass die Kostüme alle halb durchsichtig sind. Dies lässt sich auf den Inhalt des Stückes bzw. Romans zurückführen, da die „nackte Wahrheit“ enthüllt werden soll. Zusätzlich werden durch die Kleidung verschiedene Beziehungen verdeutlicht. So wird beispielweise unterstrichen, dass Labude und Fabian befreundet sind, indem Labude eine beige Hose und ein weißes Hemd trägt, während Fabian eine weiße Hose und ein beiges Hemd anhat. Die Beziehungen zwischen den Figuren und die gesamte Inszenierung werden außerdem durch technische Maßnahmen (Tim-Christoph Bach) wie eine starke Beleuchtung (Hermann Hanneken) unterstrichen. Der Eindruck des Berliner Nachtlebens wird durch künstlichen Nebel unterstützt.

Insgesamt lässt sich das Stück „Fabian. Der Gang vor die Hunde“ klar empfehlen. Die Inszenierung der Landesbühne Nord ähnelt stark dem Großstadtroman und lässt zugleich großen Spielraum für Interpretationen. Das Stück überzeugt mit seinen herausragenden Schauspielern und enthält trotz aller Ernsthaftigkeit einen gewissen Unterhaltungsfaktor. Noch bis zum 08.02.2020 besteht die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen und sich letztlich von der Geschichte, den Schauspielern und allen Mitwirkenden beeindrucken zu lassen.

 

Die Rezension von Nantke Koslowski ist im Rahmen des Q2-Grundkurses "Darstellendes Spiel" unter der Leitung von Frau Rorig entstanden.

Bilder: Landesbühne Nord